World Games in Kaohsiung/Taiwan
16.07. bis 26.07.2009

 





Zeitungsbericht OT Lichtenfels (PDF)

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Wo sie hinkommen, jubeln ihnen die Massen zu. Jeder will ihnen nahe kommen, einen Blick erhaschen, sie gar berühren, abklaschen, die Hände schütteln oder ein Erinnerungsfoto zu schießen. Diese Erfahrungen sind neu und einzigartig für Silvia Böhling und Mike Blatt. Bei den „Wold Games” in Kaohsiung in Taiwan werden die Ju-Jutsu-Kämpfer aus der Adam-Riese-Stadt behandelt wie große Stars. Dem Obermain-Tagblatt berichten sie exklusiv von ihren Erlebnissen.

Lange hatten die beiden 32-Jährigen auf diese Tage hin gearbeitet. Es war der große Traum des Ju-Jutsu-Duos aus Bad Staffelstein, sich für die „Olympischen Spiele der nicht olympischen Sportarten” zu qualifizieren. „Es war nicht leicht. Die Luft ist sehr dünn an der Weltspitze”, verrät Mike Blatt. Durch überragende Leistungen bei den Paris Open und den German Open machten sie sich für den Bundestrainer unverzichtbar. Außerdem absolvierten sie zahlreiche Vorbereitungslehrgänge. „Da wurden wir richtig geknechtet”, fügt der 32-Jährige an. Doch es lohnte sich. Eines Tages kam die ersehnte Nachricht. „Den Anruf des Bundestrainers Bernd Breuer mit unserer Nominierung für die ,World Games' haben wir immer noch auf dem Anrufbeantworter”, sagt Silvia Böhling.

Kompromisslos vorbereitet
Elf Stunden pro Woche knallhartes Training waren an der Tagesordnung. Abwechselnd in Bad Staffelstein beim dortigen TSV und in Rodach, beim Heimatverein von Mike. „Das war das Maximum. Mehr ging nicht. Wir haben ja beide normale Jobs”, erläutern sie. Ihr Heimtrainer Vinzenz Oschmann aus Kulmbach, seines Zeichens auch Landestrainer, war immer mit vor Ort und arbeitete mit den beiden hart am Feinschliff. „Es sind stets die Kleinigkeiten, die entscheiden”, erläutert Silvia Böhling. Die Ju-Jutsu-Kämpfer des TSV Staffelstein waren sehr ehrgeizig. „Vinzenz hat es verstanden, alles aus uns herauszuholen. Der gibt einfach nie auf.”

Einige Tage vor Beginn der Ju-Jutsu-Wettkämpfe in Kaohsiung traf sich der der Bundeskader in Frankfurt/Main zur gemeinsamen Reise zu den „World Games” in die Hafenstadt Kaohsiung. 14 Stunden dauerte der Flug aus Deutschland nach Taiwan „Es war das erste Mal, dass wir so lange geflogen sind”, sagt Mike Blatt. Er und seine Partnerin wussten nicht, was sie erwarten würde: „Wir waren zuvor noch nie in Asien gewesen.” Geschweige denn hatten sie jeweils von einem Ort namens Kaohsiung gehört.

Tagsüber drückend heiß
In der Hafenstadt Kaohsiung war es heiß. Drückend heiß. „35 bis 36 Grad hatte es da tagsüber”, berichtet Silvia Böhling. „Hinzu kam die Luftfeuchtigkeit von rund 90 Prozent. Das war mitten in der Zeit des Monsunregens.”

Von Anfang an wurden die deutschen Athleten von den taiwanesischen Gastgebern nach allen Regeln der Kunst umsorgt, Die zahlreichen Volontäre standen zu jeder Stunde für sie bereit. „Die Leute in Taiwan sind überaus freundlich und zuvorkommend”, finden die beiden. „Außerdem war alles perfekt durchorganisiert.” Bei den „World Games” durften jeweils nur die sechs besten Nationen der jeweiligen Sportart und Klasse teilnehmen. Die Qualifikation läuft über die Welt- und den Europameisterschaften. Dort müssen die Aspiranten die ersten Ränge belegen, um sich für die World Games zu qualifizieren. Dementsprechend waren in Taiwan nur die Besten der Besten.

Insgesamt waren es 4800 Athleten aus 105 Nationen. Das entfachte in Taiwan eine Welle der Euphorie: Das ganze Land feierte frenetisch dieses tolle Ereignis. „Die Stimmung glich der einer Fußball-Weltmeisterschaft”, bringt es Mike Blatt auf den Punkt. „Es war einfach gigantisch. Das lässt sich kaum in Worte fassen.”

Im Mittelpunkt der „World Games” standen natürlich die Wettkämpfe. „Im Ju-Jutsu gibt es kein höheres Turnier”, so Silvia Böhling. Alleine schon mit der Qualifikation für die „Olympischen Spiele der nichtolympischen Sportarten” hatten sie sich den Respekt der anderen Nationen, allen voran Frankreich, erarbeitet.

Silvia Böhling und Mike Blatt wurden letztendlich Fünfter: Frankreich, die Schweiz, Belgien und die Niederlande landeten vor ihnen. Ein höchst respektables Ergebnis. „Wir Teams haben uns gut untereinander verstanden”, resümieren sie. Außer natürlich an den Wettkampftagen. Da ging es mächtig zur Sache.

Silvia und Mike nutzen ihre Freizeit dafür, das Land besser kennen zu lernen. Überall begegneten ihnen chinesische Drachen. Die Zeichen des Glücks. Sogar das Stadion war in Form eines Drachens erbaut. Die beiden sogen die asiatische Kultur geradezu in sich auf. Sie waren begeistert. Besuche in verschiedenen buddhistischen Tempeln und bei anderen traditionellen Bauten durften da natürlich nicht fehlen. Taiwan beeindruckte die Oberfranken tief.

Asiatische Küche getestet
Während der Wettkampftage war es den beiden Athleten vom Obermain verboten, die asiatische Küche zu kosten. „Dafür haben wir uns danach gründlich umgeschaut”, schmunzeln die beiden. Nicht alles, was sie auf dem Markt oder in Restaurants entdeckten, wollten sie auch probieren. „Die asiatische Küche ist für uns Europäer schon etwas gewöhnungsbedürftig”, beschreiben sie. „Und natürlich ganz anders als beim Asiaten um die Ecke.”

Zehn Tage dauerten die „World Games” in der taiwanesischen Hafenstadt Kaohsiung. „Bei der Eröffnungsshow waren wir leider noch nicht im Land. Dafür waren wir aber bei der großen Schlusszeremonie mit dabei”, erläutern die 32-Jährigen. Sie gerät ins Schwärmen. Viele Erinnerungen werden lebendig. Die Schlussfeier war ein Spektakel. „Dafür haben sich alle Athleten auf dem World Games Plaza getroffen. Ein tolles Bild: Dann folgte eine Parade von rund einem Kilometer entlang frenetisch feiernder Massen. Links und rechts standen zig-tausende Leute und jubelten. Wir haben gleich mehrfach eine Gänsehaut bekommen”, fügen sie an.

Letztendlich endete der Zug im 60\x0f000 Zuschauer fassenden, eigens für die „World Games” erbautem Stadion. Laola-Wellen mit Leuchtstäben wogten über die Ränge, Feuerballons mit besten Wünschen stiegen in den Nachthimmel.

Hinzu kamen grandiose Lichtershows, Livebands und ein atemberaubendes Feuerwerk. Wie an jedem Abend während der „World Games”. „Diese Tage in Taiwan werden uns wohl ewig im Gedächtnis bleiben. Das war ein gigantisches Erlebnis”, bilanzieren die beiden.

Taiwan
Taiwan ist eine Insel vor dem chinesischen Festland im West-Pazifik. Die Hauptstadt ist Taipeh. Der Status der Insel ist politisch umstritten. Die Volksrepublik China sieht die Insel als abtrünnige Provinz an. Der rechtliche Status Taiwans ist bis heute ungeklärt. Gerade deshalb ist eine internationale Sportveranstaltung wie die „World Games” für die Menschen Taiwans besonders wichtig.

Dankeschön der Kanzlerin
Mittlerweile haben wir Athleten einen Dankesbrief von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble erhalten“, verraten Silvia Böhling und Mike Blatt. Darüber haben sie sich sehr gefreut.

Nach den anstrengenden „World Games“ hat ihnen Heimtrainer Vinzenz Oschmann erst einmal eine Trainingspause zur Regeneration verordnet. „Aktuell betreiben wir Videoanalyse unserer Kämpfe“, schildern sie. Bald werden sie wieder ins intensive Ju-Jutsu-Training einsteigen. Die nächsten Wettkämpfe werden nicht lange auf sich warten lassen. „Unser Ziel: Die Teilnahme an den Weltmeisterschaften 2010 in Sankt Petersburg. Wir hoffen, dass wir es schaffen.“ Ein großer Traum der beiden wäre es auch, 2013 noch einmal bei den „World Games“ dabei zu sein. Dann in Cali in Kolumbien.

World Games
Die World Games sind ein internationaler Wettkampf in Sportarten, die nicht zum Wettkampf-Programm der Olympischen Spiele gehören, jedoch eine hohe weltweite Verbreitung haben. Sie werden alle vier Jahre an wechselnden Orten ausgetragen, jeweils im Jahr nach dne Olympischen Sommerpsilene. Ausrichter ist der Internationale Verband für Weltspiele (IWGA). Das Internationale Olympische Komitee fungiert als Schirmherr.

Markus Drossel OT Lichtenfels